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Slavisches Seminar

Das Zürcher Slavische Seminar 1961-2005

Das Zürcher Slavische Seminar 1961-1981

Auch an der Universität Zürich haben sich die slavistischen Studien erst allmählich und nicht sehr kontinuierlich entwickelt. Es gab schon 1881/82 ein Seminar über Puschkins Versroman "Evgenij Onegin" (gehalten von Friedrich Haag), hin und wieder Lehrveranstaltungen über slavische Sprachen und Literaturen und zwischen 1921 und 1936 erhielt der aus Russland emigrierte A. V. Leontieff einen Lehrauftrag für Russische Sprache und Literatur. Aber die Slavische Philologie besass bis in die 1960er Jahre keinen eigenen Lehrstuhl, sondern war von 1936 bis 1959 als Fach durch den Privatdozenten Ernst Dickenmann vertreten.

Der Lehrstuhl für Slavische Philologie wurde mit der Berufung von Peter Brang aus Bonn auf Beginn des Sommersemesters 1961 geschaffen. Gleichzeitig mit der Berufung wurde auch das Slavische Seminar gegründet. Brang vertrat zunächst das gesamte Fach, bis 1974 ein gesonderter Lehrstuhl für Slavische  Sprachwissenschaft eingerichtet wurde, auf den man Robert Zett berief. Der kontinuierliche Ausbau des Seminars bedeutete auch die Schaffung von Assistenzstellen und den Ausbau der Administration in den 60er und 70er Jahren.

Das Slavische Seminar hatte verschiedene Standorte in Zürich, bevor es im Herbst 1981 die Seminarräume an der Plattenstrasse 43 bezog.

Das Seminar 1990-2005

Als Nachfolger von Peter Brang wurde 1991 Jochen-Ulrich Peters auf den Lehrstuhl für Slavische Philologie gewählt. Er hatte in Berlin promoviert und mit einer Abhandlung zu Kunst als organisierte Erfahrung (über Kunsttheorie, Literaturkritik und Kulturpolitik) habilitiert. Sein Interesse galt unter anderem der Russischen Satire im 20. Jahrhundert und dem Zusammenhang zwischen diesem literarischen Genre und der gesellschaftlich-sozialen Realität. Peters hat sich insbesondere auch mit Majakovskij befasst (Poesie und Revolution, 1979) sowie mit der Dichtung von Anna Achmatova.

Robert Zetts Nachfolge trat nach einer zweijährigen Vakanz 1993 Daniel Weiss an. Er hatte 1975 in Zürich mit einer Studie zu Syntax und Semantik polnischer Partizipialkonstruktionen im Rahmen einer generativ-transformationellen Sprachbeschreibung promoviert. Für seine weitere Entwicklung war der Postdoc-Aufenthalt in Moskau 1976 massgebend, der zu intensiven wissenschaftlichen und persönlichen Kontakten mit den führenden Vertretern der sogenannten Moskauer Semantischen Schule führte.
Er hat über 100 z.T. recht umfangreiche Aufsätze verfasst, die zunächst vorwiegend textlinguistisch ausgerichtet waren, mit einem ersten Fokus auf der Grammatik des Textverweises, dann auch auf Problemen der Satzkonnexion. Seit der Mitte der 1980er Jahre galt sein Interesse zunehmend der Sprache der Politik im Realen Sozialismus. Daraus ist ein grösseres, interdisziplinär orientiertes, aber linguistisch zentriertes SNF-Forschungsprojekt hervorgegangen ("Zur Geschichte der verbalen Propaganda im Realen Sozialismus", finanziert 1996-2001), das anhand von russischem und polnischem Material in über 40 Publikationen einen breit gefächerten Gegenstandbereich beschlägt. Weiss beschäftigte sich im Zusammenhang mit einem von der EU finanzierten transnationalen Forschungsprojekt zudem mit dem Thema "Nahrung in der Sowjetwerbung und –propaganda". Daneben verfolgte er weitere Schwerpunkte, insbesondere die typologische und kontrastive Charakterisierung des modernen Russischen und Polnischen, Einzelfallstudien in lexikalischer Semantik, formale Sprachmodelle, zeitweilig auch Sprache und Sexus.

Seit 1996 war German Ritz, der mit der Studie zur russische Heine-Übersetzung in Zürich promoviert und 1989 mit dem Buch Die polnische Prosa 1956-1976. Modellierung einer Entwicklung habilitiert hat, Titularprofessor. Nach einer Reihe von Aufsätzen zur russischen Literatur hat er besonders in den 90er Jahren das Schwergewicht seiner Forschung auf die polnische, teilweise auch die tschechische Literatur und die Gender-Problematik in der schönen Literatur gelegt.

Das studentische Interesse an Slavistik wuchs mit der Öffnung Osteuropas infolge der Perestrojka in der Mitte der 1980er Jahre und mit der Wende von 1989. Im Verlauf der 90er Jahre ging dieses Interesse wieder zurück, stieg aber nach 2000 wieder deutlich an. Die Öffnung Osteuropas und das breitere Angebot in Slavischer Sprach- und Literaturwissenschaft ausserhalb der Russistik brachte eine wachsende Studierendenzahl, die sich schwerpunktmässig mit Polonistik, Bohemistik und Serbokroatistik befasste. Die Ausdifferenzierung des Fachs in Sprach- und Literaturwissenschaft wurde von einem erhöhten Lehrangebot in der Sprachpraxis gestützt. Die hohe Sprachkompetenz in den verschiedenen Slavinen prägte das Profil der Studiengänge an der UZH.

Das Slavische Seminar pflegte zudem immer eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung für osteuropäische Geschichte der UZH, die im gemeinsamen BA-/MA-Studiengang (Internationale) Osteuropastudien festgeschrieben wurde. Die Interdisziplinarität des Fachs zeigte die zunehmende kulturhistorische Ausrichtung des Fachs, die sich auch in einer stärkeren Zusammenarbeit mit anderen Philologien, der Philosophie und Kunstgeschichte zeigte.

Die Grundlage der hier dargestellten Geschichte der Slavistik in der Schweiz und in Zürich bildet ein Aufsatz von Peter Brang und Roland Aegerter: Slawistik in der Schweiz, in: Beiträge zur Geschichte der Slawistik in nichtslawischen Ländern. Wien. 2005, S. 125-149.