Atelier Ost
Dozentur für Kulturschaffende aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa
Ab dem Frühjahrssemester 2024 richten wir am Slavischen Seminar gemeinsam mit der Landis & Gyr Stiftung in Zug eine Dozentur für Kulturschaffende aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa ein. Die Dozentin oder der Dozent ist mit einem Atelier-Stipendium in Zug und im Rahmen einer Lehrtätigkeit am Slavischen Seminar der Universität Zürich zu Gast. Geplant ist eine Lehrveranstaltung im Rahmen der Dozentur.
2026: Melinda Nadj Abonji
Im Frühjahr 2026 ist die ungarisch-schweizerische Schriftstellerin Melinda Nadj Abonji zu Gast auf der «Atelier Ost: Dozentur für Kulturschaffende aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa», die das Slavische Seminar in Zusammenarbeit mit der Landis & Gyr Stiftung realisiert.
1968 in Becsej (Vojvodina, Serbien) geboren, kam Melinda Nadj Abonji Anfang der 1970er-Jahre mit ihrer Familie in die Schweiz. In Zürich, wo sie Germanistik und Geschichte studierte, lebt sie heute als Autorin und Musikerin. Für ihren Roman "Tauben fliegen auf" erhielt sie 2010 sowohl den Deutschen als auch den Schweizer Buchpreis.
Im Rahmen des "Atelier Ost" begibt sich Melinda Nadj Abonji im Frühlingssemester 2026 gemeinsam mit den Studierenden ins Archiv auf "forensische Sprachanalyse". Ausgehend vom genauen Lesen und Analysieren historischer Quellen über die Bespitzelung von (jüdischen) Menschen vornehmlich aus Osteuropa im Zuge des ab 1917 in der Schweiz Fahrt aufnehmenden Anti-Kommunismus geht es um die Frage, wie sich aus Archivmaterial eigene literarische oder essayistische Texte entwickeln lassen. Melinda Nadj Abonji gewährt dabei Einblicke in ihr eigenes schriftstellerisches Schaffen, ihre Arbeit mit Quellen, Sprache und Text.
Die Details zur Lehrveranstaltung finden sich unter Atelier Ost: Archiv, Sprache, Widerstand, Imagination. Die Bespitzelung und Verfolgung von Kommunist:innen und (jüdischen) Osteuropäer:innen in der Schweiz (06SM480o003)
2025: Yevgenia Belorusets
Im Frühjahrssemester 2025 war die Fotografin, Künstlerin und Schriftstellerin Yevgenia Belorusets zu Gast. Sie lebt abwechselnd in Kyiv und Berlin. Zu Beginn des Krieges im Februar 2022 hat sie täglich in Tagebucheinträgen u.a. für den Spiegel vom Krieg berichtet. 2022 erschien bei Matthes&Seitz ihr Buch "Anfang des Krieges. Tagebücher aus Kyjiw", für das Beloruset mit dem Horst Bingel-Preis für Literatur ausgezeichnet wurde.
Am Montag, 12. Mai 2025, fand ein öffentliches Gespräch zwischen Sylvia Sasse und Yevgenia Belorusets zum Thema "In Dunkelheit und Stille Über das Schweigen in 'dokumentarischen' Arbeiten zum Krieg und wie das Schweigen ungehorsam wird“ statt. Flyer_Belorusets_Schweigen (PDF, 3 MB)
Im Frühjahrssemester 2025 leitete Yevgenia Belorusets zudem folgenden Workshop: Atelier Ost: Zeitlos, raumlos, namenlos. Der Krieg verschlingt alles (06SM480m014)
Die Blockveranstaltung im Mai 2025 widmet sich der kritischen ukrainischen Kunst, die während des Krieges und überwiegend nach 2022 entstanden ist. Wir werden uns mit dem Konzept des Zeugnisses, künstlerischen Ansätzen der Dokumentation, Versuchen, eine kritische Position zu bewahren, sowie der Arbeit mit neuen Bedeutungen, dem Verlust von Bedeutung und sogar Absurdität und Ironie befassen. Dabei wird es auch um Kunst gehen, die sich mit dem Schweigen oder sozialen Räumen, die zum Schweigen gebracht werden, auseinandersetzt.
Besondere Aufmerksamkeit wird dem Schreiben und der Spannung zwischen Text und Bild in der künstlerischen Praxis gewidmet. Die Teilnehmenden erhalten die Aufgabe, einen reflektierenden Essay zu verfassen, der von den Werken der Künstler:innen inspiriert ist. Im Rahmen des Gedankenaustauschs und kurzer Inputs ist eine Schreibimprovisation geplant.
Einige der Künstler:innen, deren Werke wir besprechen werden, sind als Gastredner:innen eingeladen. In der Veranstaltung werden Werke von Alina Kleitman, Vladyslav Plesetskyi, Dana Kosmina und dem Projekt "Dzherelo", Mykola Ridnyi, Dmytro Starysev, Dana Kavelina, Nikita Kadan, Mykola Karabinovych, Yevgenia Belorusets, Harri Kraievets und anderen gezeigt.
2024: Artur Klinaŭ
Unser erster Dozent im FS 2024 ist der belarusische Autor Artur Klinaŭ. Der in Minsk geborene Autor und Künstler ist durch seinen Essay „Minsk. Sonnenstadt der Träume“ (2006) international bekannt geworden und hat zuletzt mit „Acht Tage Revolution. Ein dokumentarisches Journal aus Minsk“ (2021) eine brillante Analyse der politischen und kulturellen Situation in Belarus vorgelegt. Klinaŭ ist zudem Chefredakteur und Herausgeber der Zeitschrift pARTisan, die seit 2002 auf Belarusisch und Englisch erscheint. Er lebt derzeit im Exil.
Am Slavischen Seminar hat er einen Workshop angeboten:Die Stadt der Utopie - Die Stadt des Imperiums. Performative Praktiken der Macht: Moskau - Leningrad - Minsk (480k011a)
Zum Workshop: Im Rahmen des „Atelier Ost: Dozentur für Kulturschaffende aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa" bietet Artur Klinaŭ am Slavischen Seminar der Universität Zürich ein Blockseminar zur Architektur der sowjetischen Stadt der 1920er-1950er an. Moskau, Leningrad und Minsk werden durch das Prisma der performativen Praktiken der Macht und ihrer Rituale betrachtet. Dabei wird die Metapher des Theaters verwendet, in dem es eine Bühne mit einem architektonischen und monumentalen Bühnenbild gibt. Es gibt einen Zuschauerraum bzw. eine Gesellschaft, die sich per definitionem in einem Zustand relativer Passivität befindet. Es gibt eine Handlung, eine Aufführung, ein Ritual des täglichen Lebens, das sich auf der Bühne abspielt. Aber diese Aufführung ist keine chaotische Improvisation, keine Manifestation des natürlichen "nackten Lebens". Sie ist eine zweite Wirklichkeit, eine Illusion des Lebens, die sich strikt der im Libretto vorgeschriebenen Reihenfolge und dem Text unterordnet. Es gibt auch die Wirklichkeit selbst, nennen wir sie Wirklichkeit Nummer eins (1.0), die sich hinter dem Bühnenbild verbirgt: Das sind kahle requisitenlose Backsteinwände und eine Menge seltsamer Maschinen und Antriebsmechanismen für die Bühne. Es gibt jedoch noch jemanden, den wir nicht sehen, von dem wir aber wissen, dass er da sein muss, denn er ist der Autor des Stücks. Er ist derjenige, der das Libretto verfasst, die Schauspieler auswählt, das Licht im richtigen Moment einschaltet und die Kulissen auf- und zumacht. Nennen wir diesen Autor Macht.
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